Der OGH hat seine bisherige sehr strenge Rechtsprechung zu fremdhändigen Testamenten etwas gelockert. Nach wie vor ist bei fremdhändigen Testamenten die Einheit der Urkunde ausschlaggebend für die Gültigkeit des Testaments. Seit der OGH diese Voraussetzung besonders streng auslegt, haben sich zahllose Testamente, die aus mehreren losen Blättern bestehen, zum Schrecken der testamentarischen Erben als ungültig erwiesen. Bisher galt, dass die einzelnen Bestandteile der Urkunde so fest miteinander verbunden sein mussten, dass die Verbindung nur mit Zerstörung oder Beschädigung der Urkunde gelöst werden kann, wie zB beim Binden, Kleben oder Nähen der Urkundenteile.
Noch 2020 hielt der OGH fest, dass „im vorliegenden Fall die beiden Blätter des fremdhändigen Testaments lediglich mit einer (einzigen) Heftklammer verbunden wurden, wodurch eine äußere Urkundeneinheit im Sinne der zitierten Rechtsprechung nicht hergestellt wurde.“ (2 Ob 51/20v) Das Testament war daher ungültig. Ebenso ist die Verwahrung zweier loser Blätter in einem Kuvert nicht ausreichend.
In einer aktuellen Entscheidung überraschte der OGH mit einer leichten Lockerung dieser strengen Linie: Die vorliegende Verwendung dreier seitlich angebrachter Heftklammern reicht im Hinblick auf die Festigkeit der damit erzielten Verbindung an ein Binden, Kleben oder Nähen der einzelnen Blätter heran und ist demnach nicht zu beanstanden. (2 Ob 25/22y)
Diese Entscheidung ist in Anbetracht der bisherigen Judikatur zumindest überraschend, da die Anzahl der Heftklammern nichts darüber aussagt, ob sie ohne Beschädigung der Urkunde entfernt werden können. Da seit der großen Erbrechtsreform 2017 noch viele Fragen ungeklärt sind und sich auch in der Rechtsprechung noch vieles im Fluss befindet, ist hier jedenfalls Vorsicht geboten. Auf die richtige Anzahl der Heftklammern sollte man nicht spekulieren, sondern für eine feste Verbindung sorgen. Und nicht nur die äußere Form muss beachtet werden, auch inhaltlich sollte der Testator die gesetzlichen Schranken seiner Verfügungsfreiheit beachten, damit sein letzter Wille auch zur Geltung kommt.